Karin Saey, Leitung Bereich Handel (Dorotheum): „Das beste Gold ist das, das bereits da ist.” © Dorotheum
Karin Saey, Head of Retail der Dorotheum GmbH & Co KG, erläutert im Interview, wie die Umweltbilanz von neuem Gold im Vergleich zu recyceltem Gold ist und welche Maßnahmen das Auktionshaus zur Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ergreift.
Seit Jahren wird in der Politik über mögliche Wege in eine nachhaltigere Zukunft diskutiert. Wie wichtig ist da die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft?
KARIN SAEY: Das Ziel einer kreislauforientierten Wirtschaft ist es, den Wert von Produkten, Stoffen und Ressourcen so lange wie möglich zu erhalten, um möglichst wenig Abfall und Umweltbelastungen zu erzeugen. Die Produkte sollen so lange wie möglich genutzt, wiederverwendet, repariert und schließlich recycelt werden. Auf diese Weise wird ihr Lebenszyklus verlängert und der Verbrauch von Primärrohstoffen verringert.
Wie groß ist denn der ökologische Fußabdruck von Gold?
SAEY: Hier gibt es große Unterschiede. Neu geschürftes Gold verbraucht wesentlich mehr Ressourcen als Recycling-Gold. Der ökologische Fußabdruck von recyceltem Gold aus hochwertigem Edelmetallschrott liegt um Zehnerpotenzen unter dem von neuem Gold. Deswegen ist es sehr wichtig, Recycling-Gold, wann immer möglich, den Vorzug zu geben. Im Dorotheum nehmen wir das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst und sehen uns ein bisschen auch als Vorreiter. Schließlich betreiben wir seit über 300 Jahren eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
Wie wird das im Dorotheum konkret umgesetzt?
SAEY: Die Kreislaufwirtschaft ist in jedem unserer drei Geschäftsbereiche – Auktion, Handel und Pfand – die primäre Basis unseres Geschäftsmodells. Jährlich finden im Dorotheum hunderte Auktionen statt, bei denen Objekte aus Vorbesitz einen neuen Besitzer finden und so weitergenutzt werden können. Im Handelsbereich wird ebenfalls ein maßgeblicher Teil unserer Umsätze mit Objekten aus Privatbesitz getätigt. Viele unserer Kunden suchen bei uns gezielt nach diesen Vintage-Einzelstücken, weil sie damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten möchten, ohne dabei auf ein wenig Luxus in Form von hochwertigem Schmuck verzichten zu müssen.
Und wie schaut es mit der Ökobilanz von neu gefertigtem Schmuck aus?
SAEY: Wir arbeiten nach dem Motto: Das beste Gold ist das, das bereits da ist. Deswegen verwenden wir in unseren hauseigenen neuen Kollektionen einen hohen Anteil an Recycling-Gold. Aktuell liegt dieser im Schnitt bei über 70%, bei unserer jungen Marke sh!ne sogar bei über 80%. Natürlich ist es unser Ziel, diesen Anteil weiter zu erhöhen, momentan ist das aber auch eine Frage der Verfügbarkeit, denn weltweit wird nur ca. ein Drittel des im Umlauf befindlichen Goldes aus dem Recycling gewonnen.
Bei Dorotheum Juwelier kann man Gold ja nicht nur kaufen, sondern auch verkaufen. Welcher Beitrag wird damit zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft geleistet?
SAEY: Die nachhaltigste Lösung ist immer die Weiternutzung bereits bestehender Schmuckstücke. Wir kaufen in unserem Haus aber auch beschädigten oder nicht mehr verkäuflichen Schmuck als Alt- bzw. Bruchgold zum aktuellen börsenabhängigen Tageskurs an, um ihn dem Kreislauf wieder zuzuführen. Die Edelmetalle aus dem Altedelmetallankauf werden von uns direkt recycelt. Dafür ist die Dorotheum Metallverarbeitung zuständig, wo die Trennung der Edelmetalle von anderen Teilen (z.B. Steinen) und die nachfolgende Einschmelzung in speziellen Induktionsöfen durchgeführt wird. Wir kaufen aber nicht nur Goldschmuck an, sondern auch Münzen, Medaillen und Anlagebarren.
Ist das „Urban Mining“ also die Lösung der Zukunft, um die Schmuckbranche insgesamt nachhaltiger zu machen?
SAEY: Für uns stellt das „Urban Mining“ eine wichtige Quelle zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen dar, die mit einem geringen Ressourcen- und Energieverbrauch in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können und damit eine klimafreundliche CO2-Bilanz aufweisen. Oft wird der Goldkreislauf von unseren Kunden auch direkt gelebt, indem sie nicht mehr getragenen oder beschädigten Schmuck bei uns verkaufen und mit dem Erlös im Dorotheum ein anderes Schmuckstück oder Anlagegold in Form von Goldmünzen oder Goldbarren kaufen.
Welche Vorteile bietet denn speziell Anlagegold aus Privatbesitz im Vergleich zu neuem oder auch zu recyceltem Anlagegold?
SAEY: Bankfähige und unbeschädigte Edelmetallmünzen und -barren, die von unseren Schätzmeister:innen aus Vorbesitz angekauft werden, müssen vor dem Wiederverkauf nicht recycelt, neu gegossen und geprägt werden. Auch das schont die Umwelt. Somit können Kund:innen beim Dorotheum nachhaltiges Anlagegold erwerben, das CO2-neutral ist. Dass Anlagegold in der EU umsatzsteuerbefreit ist, bildet einen zusätzlichen Kaufanreiz für diese noch immer beliebte Form der Wertanlage. Hinzu kommt, dass sich der Goldkurs in den letzten 5 Jahren verdoppelt hat – es gibt nicht viele Investitionsgüter, die eine ähnliche Entwicklung bieten konnten. Durch unseren Ankauf von Anlagegold aus Privatbesitz sind wir auch in der Lage, eine große Bandbreite an Edelmetallmünzen und -barren anzubieten, die oft im Portfolio anderer Anlagegold-Erzeuger nicht mehr erhältlich sind.
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