Der familiäre Juwelier in der Falle (Teil 3)

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Selbstbewusst: Kreativität und Innovation, das zeichnet die Branche seit jeher aus. Jetzt heißt es für die nächste Generation vorzudenken.

Die Situation des Einzelhandels ist angespannt. Nicht nur in Österreich. Inflation, Energiekrise und Lieferschwierigkeiten sorgen für eine eingetrübte Stimmung. Doch die Luxusgüterindustrie verzeichnet höhere Umsätze denn je, denn für Exklusivität wird fast jeder Preis bezahlt. Die Branche ist also noch lange nicht abzuschreiben. Das Motto für die Zukunft lautet: Gestalten statt verwalten. Denn der Grundtenor der Branchenexperten lautet: Gewinner werden jene Unternehmen sein, die sich nicht verstecken, sondern die Initiative ergreifen. 


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Monobrand-Stores: Gekommen, um zu bleiben

Der Dauerbrenner der Branchengespräche sind weiterhin die Marken-Monobrand-Stores, die in der Wiener Innenstadt wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schießen. Es ist ein Trend, der sich im gesamten Einzelhandel in den letzten Jahrzehnten abzeichnete und nun ebenfalls im Uhren- und Schmuckbereich Einzug hält. Und er ist gekommen, um zu bleiben. Speziell in der Modeindustrie, setzen die großen Marken bereits seit mehr als drei Jahrzehnten auf eigene Geschäfte mit Markenkennzeichnung. Parallel findet im Schuhhandel aktuell eine Marktbereinigung bei Multibrand-Anbietern statt, die offensichtlich nicht in der Lage waren nicht den Geschmack und die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu erfüllen – bei Produkten gleichermaßen wie dem Einkaufserlebnis.

Die Strategie für die Marken ist klar. Es ist nicht nur eine attraktive Werbefläche in Tourismusmetropolen. Es sind vor allem Margengründe und die ungehinderte Umsetzung der Vertriebsstrategie. So können etwa Uhrenmodelle, ohne vertragliche Vereinbarung, nach der eigenen Vorstellung am lokalen Markt präsentiert oder Emotionen gezielt auf diese gerichtet werden. Ermöglicht wird dies über das Vertriebsgold, das jedes Unternehmens in den Händen hält: die Kundendaten. Im Zeitalter des automatisierten Marketings und der persönlichen Ansprache und Mitnahme auf der Markenreisen, ein Muss für jedes Unternehmen. 

Maydell sieht darin mehr Chance als Risiko: „Die Veränderungen in der Distribution sind nicht neu, genauso wenig wie ein Trend zu Monostores. Für einige Unternehmen hat es unangenehme Konsequenzen und für diese ist es wirklich an der Zeit, sich neu aufzustellen. Ich bezeichne es als eine Notwendigkeit, aus der sich neue Chancen entwickeln lassen. Das von breiten Anbietern im Luxussegment perfekt beherrschte Markenthema ist dabei keine Option. Vielmehr, im übertragenen Sinn, geht es um eine zu entwickelnde Persönlichkeit im Unternehmenskontext.“


Nils Maydell Zitat Branche Juweliere Beletage Effekt

Exklusivität: Der „Bel-Etage“-Effekt

Die Marken setzen dabei auf noch mehr Exklusivität. Denn im Zeitalter der Digitalisierung ist eine zentrale Strategie des Handels: der hybride Verkauf. Alleine digital ist schwierig. Alleine analog, also stationär, geht nicht mehr. Ein erster Schritt ist, den richtigen Mix aus digital und stationär für das eigene Geschäft zu finden. Bereits seit mehr als 10 Jahren richtet sich das Marketing auf die Customer Journey aus. Sprich, das Kundenverhalten oder die Kundenreise beim Einkauf. Was jedoch bei den Weltmarken schon ökonomisch erfolgreich eingesetzt wird, ist in Österreich noch wirklich angekommen. Die gewinnbringenden Mechanismen werden noch immer belächelt. Doch wie bei Monobrand-Stores gilt: Der hybride Vekauf ist gekommen, um zu bleiben. 

Der zweite Schritt: Schauen was die großen Marken machen, wie sie ihre Kunden ansprechen, welche Marketingmaßnahmen sie setzen und womit sie die Kunden in ihre Geschäfte holen. Denn digital und analog ist keine Einbahnstraße in die eine oder die andere Richtung. Vielmehr kann ein Kunde – sofern die Kundendaten vorhanden sind – sich digital informieren und stationär einkaufen, oder sich stationär beraten zu lassen und online – im Shop des Juweliers zu kaufen, inklusive eines umfassenden Servicepakets für den After Sales-Bereich. Denn auch das hat sich nicht verändert. Die Kunden wollen und brauchen einen Ansprechpartner für die Zeit nach dem Kauf. Erinnerungen an ein Service, Einladungen zu Events wie die Präsentation von Neuheiten. Idealerweise exklusiv!

Beletage_Effekt_Wien
Die höchste Dichte an Luxusstores in Europa: Wien als Toursimusmagnet ist ein lohnendes Schaufenster für Luxusmarken. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Exklusivität ist die Triebfeder des öknomischen Erfolgs.

Exklusivität vermittelt dem Kunden das Gefühl von Einzigartigkeit. Ähnlich einer gut funktionierenden Beziehung, ist es ein ständiges Werben und Kontakthalten. Dabei setzen die großen Luxusmarken seit kurzem auf die „Bel-Etage“. Gut erkennbar an den aktuell laufenden Umbauarbeiten bei Dior und Cartier. Die beiden Stockwerke oberhalb der Verkaufsfläche im Erdgeschoss, werden zu exklusiven Räumen für Kundinnen und Kunden, meist nur auf Einladung oder nach Termin.

Für den Fachhandel wird es vielleicht nicht immer die „Bel-Etage“ wie bei Dior sein, sondern eine Nische mit „Bel-Etage“-Effekt. Dies bestätigt Präg aus seiner langjährigen Erfahrung und geht noch einen Schritt weiter: „Das Rezept muss sein, sich die Lieferanten gut auszusuchen oder selber machen, etwa eine eigene Goldschmiede. Denn wenn wir in die Abhängigkeit unserer Lieferanten geraten haben wir verloren.“

Mit Blick auf den heiß umkämpften Markt ergänzt Köck: „Es ist für den Fachhändler in Zukunft extrem wichtig, eine passende Nische zu finden und sich nicht auf einen Lieferanten zu konzentrieren, um das Risiko zu streuen. Denn es kann schneller gehen, als man denkt.“ 

Und Moch schließt mit einem positiven Ausblick: „Für den Fachhandel sehe ich die Zukunft durchaus positiv. Sich zu schmücken, sich etwas Besonderes zu leisten ist ein Grundbedürfnis, das viele für erstrebenswert halten und vielleicht darauf hinarbeiten, es sich leisten zu können.“ 


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