Der familiäre Juwelier in der Falle (Teil 2)

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Selbstbewusst: Kreativität und Innovation, das zeichnet die Branche seit jeher aus. Jetzt heißt es für die nächste Generation vorzudenken.

Die Situation des Einzelhandels ist angespannt. Nicht nur in Österreich. Inflation, Energiekrise und Lieferschwierigkeiten sorgen für eine eingetrübte Stimmung. Doch die Luxusgüterindustrie verzeichnet höhere Umsätze denn je, denn für Exklusivität wird fast jeder Preis bezahlt. Die Branche ist also noch lange nicht abzuschreiben. Das Motto für die Zukunft lautet: Gestalten statt verwalten. Denn der Grundtenor der Branchenexperten lautet: Gewinner werden jene Unternehmen sein, die sich nicht verstecken, sondern die Initiative ergreifen. 

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Sterben: Abgesagt!

Gleichzeitig existiert das ungeschriebene Gesetz, dass gerade Krise jene Schwachstellen schonungslos offenlegen, die durch Erfolge bisher überdeckt wurden. Vor dieser Situation standen bereits andere Branche. Etwa die Wiener Kaffeehäuser. Plötzlich funktionierten die altbewährten, traditionellen Charmerezepte nicht mehr. Es kam zu einem Abgesang auf die Wiener Kaffeehauskultur: die Jugend komme nicht, Starbucks werde der Ruin der Kaffeehauskultur, uvm. 

Geht man jedoch heute durch den siebten Wiener Gemeindebezirk, gibt es Dutzende kleiner Kaffees, in modernem, individuellem Style, bis auf den letzten Platz gefüllt mit jungen Menschen, die Kaffee trinken, Kuchen essen und plaudern. Kaffeehausfeeling in Reinkultur. Und ja, es ist nicht mehr das traditionelle Bild, das noch aus den Romanen bekannt ist. Kaffeehäuser aus Zeiten eines Karl Kraus, eines Arthur Schnitzler oder Gustav Klimts.  Es ist jedoch eindeutig ein Kaffeehaus, mit zeitgemäßen Namen und neuen, ausgezeichneten Süßspeisen, die den Geschmack der Jugend treffen.  

Umgelegt auf den Fachhandel für Schmuck und Uhren und frei nach Thomas Mann in „Die Buddenbrooks – Verfall einer Familie“ bedeutet dies: Fantasie haben, heißt nicht, sich etwas auszudenken. Es heißt, aus den Dingen etwas zu machen.

Karl-Heinz_Götze_Leiter_KSV1870 Luxusbranche

Die Ärmel hochkrempeln aus dem Tagestrott zu kommen, ist nicht einfach. Zu sehr belastet die Situation. Nur das Zeitfenster schließt sich, sonst schließt das Geschäft. Und das durchleben aktuelle viele Einzelhändler in unterschiedlichsten Branchen. Juwelier Matthias Präg aus Bregenz bringt es auf den Punkt: „Wichtig ist nicht in Selbstmitleid und Lethargie zu verfallen, sondern geradeaus schauen. Unter Betrieb feiert heuer sein 175-jähriges Jubiläum am gleichen Platz in Bregenz. Seit ihrer Gründung 1848 hat sie schon viele Krisen überstanden und ist ein Beispiel dafür, dass es immer weitergeht.“

Nils Maydell, langjähriger Branchenexperte, macht bezüglich Wettbewerbsfähigkeit Mut:  „Aktive, innovative, engagierte Unternehmer sind in der Regel zu allen Zeiten die erfolgreicheren. Als mögliche Strategiewege sehe ich ansprechende Angebotsspektren über differenzierte Händlerwelten, wo klassische Fachhandelsattribute im Vergleich zu oligarchisch dominierenden „Weltmarken“, gerade in lokalen und regionalen Märkten, glaubhaft überzeugen können.“

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Der „Bel-Etage“-Effekt: Luxusmarken setzen verstärkt auf die Bel-Etage. So Cartier und Dior in ihren neuen Boutiquen. Es geht um Exklusivität und die Vermittlung von Einzigartigkeit des Kundens - mit Potenzial für den Fachhandel.

Nicht nur „a bisserl schauen“

Gerade in Zeiten, in denen viele Kundinnen nur „a bisserl schauen“, ist es besonders wichtig die Ärmel hochzukrempeln, aus dem Tagestrott zu kommen und den Fokus auf die Potenziale zu lenken. Dabei zählt, die grundlegende Frage: Welches Angebot kann ich anbieten, das nicht nur Aufmerksamkeit bei den Kunden weckt und sie langfristig bindet, sondern auch entsprechend Umsätze bringt, die nachhaltig die Existenz sichert, idealerweise in die nächste Generation hinein. Ein allgemein gültiges Rezept dafür gibt es nicht. Was zählt ist jedoch die Leidenschaft die Branche und das Erzeugen von Emotionen und nachhaltigen Berührungspunkten bei den Kunden. Denn sowohl Schmuck wie Uhren sind ein Kauf von Erinnerungsstücken, geprägt von Emotion, Langlebigkeit und Nähe.  

Das betont auch Frank-Thomas Moch, Obmann der WKÖ des Bundesgremiums für Juwelier- und Uhren: „Der Schmuckkauf ist noch immer ein haptisches Erlebnis. Das Gefühl des Einkaufserlebnisse wird nicht untergehen. Das zeigt die Konsumentenstimmung. Es ist ein emotionaler Moment, sich Ringe selbst auszusuchen, an der Hand zu spüren, führen wie sie sich tragen. Dieses Gefühl werden die Kunden immer schätzen.“

Diese Kundenerlebnis gilt es zu inszenieren, zeigt sich Felix Köck-Marek, Von Köck, überzeugt. Denn, so Köck: „Es geht um das Gesamtpaket. Der Kunde möchte ein Erlebnis. Er möchte bereits beim Kauf einzigartige Momente haben. Dann dazu das passende Produkt mit dem richtigen Markenimage.“ Das ganze Interview mit Felix Köck-Marek lesen Sie auf Seite 10.


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