Der familiäre Juwelier in der Falle (Teil 1)

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Selbstbewusst: Kreativität und Innovation, das zeichnet die Branche seit jeher aus. Jetzt heißt es für die nächste Generation vorzudenken.

Die Situation des Einzelhandels ist angespannt. Nicht nur in Österreich. Inflation, Energiekrise und Lieferschwierigkeiten sorgen für eine eingetrübte Stimmung. Doch die Luxusgüterindustrie verzeichnet höhere Umsätze denn je, denn für Exklusivität wird fast jeder Preis bezahlt. Die Branche ist also noch lange nicht abzuschreiben. Das Motto für die Zukunft lautet: Gestalten statt verwalten. Denn der Grundtenor der Branchenexperten lautet: Gewinner werden jene Unternehmen sein, die sich nicht verstecken, sondern die Initiative ergreifen. 



Tote Pferde reitet man nicht, ist ein allseits bekannter Spruch in der Geschäftswelt. Nach den vielen Hiobsbotschaften der vergangenen Monate ist der Einzelhandel stark mitgenommen, doch das Pferd „Handel“ ist noch lange nicht tot. Es lohnt sich es zu satteln. Denn die nächste Generation wartet schon.

Trendumkehr: Bitte noch warten 

Viele Unternehmern sind die laufenden Hiobsbotschaften in die Knochen gefahren und drücken auf die Stimmung. Es geht um die eigene Existenz. Das unterstreicht auch der WIFO-Konjunkturklimaindex aus dem August 2023. Dieser hat zum 4. Mal in Folge nachgegeben und liegt im Saldo mit – 14,8 Punkten so niedrig wie vor einem Jahr. Maßgeblich war es der gestiegene Pessimismus der Einzelhändler, da die Konsumnachfrage auch im August schwach ausgefallen sein dürfte, so das WIFO. Wenig positiv auch der Ausblick der Einzelhändler über alle Branche: Zwar erwarten diese, dass sich die Geschäftstätigkeit leicht erholen werde, eine nachhaltige Trendumkehr ist jedoch nicht in Sicht. Ursächlich dafür sind drei sich gegenseitig bedingende Faktor: Inflation, Kaufkraftverlust und Zinsen. 

Denn eines zeigt sich, die Inflation geht bisher nicht signifikant zurück. Sie verharrte in den vergangenen Monaten auf einem hohen Niveau von rund acht Prozent. Mit den nun steigenden Ölpreisen kann mit einem Aufwärtstrend gerechnet werden. Damit einhergehend der hohe Kaufkraftverlust für eine breite Mehrheit der Bevölkerung. Ihre Kaufentscheidungen sind nicht von einem „und“ sondern einem „oder“ geprägt. Zusätzlich versucht die Europäische Zentralbank (EZB) durch Zinserhöhungen die Nachfrage und folglich die Inflation in der Euro-Zone zu dämpfen. Mit direkten Auswirkungen auf die Kreditbedingungen der Unternehmen. Einerseits steigen die Zinsen, andererseits verschlechterte sich die Kredithürde der Unternehmen im August 2023. 

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Insolvenzen: Kaum Thema für Uhren und Schmuck 

Die Kreditnachfrage im Einzelhandel lag im August bei 15,8% und somit unterhalb des Branchenquerschnitts von rund 20 Prozent. Ein heißes Thema blickt man auf die aktuelle politische Diskussion. Denn es folgt die grundsätzliche Frage, wie die Kredite bedient werden können, vor allem vor dem Hintergrund den Großinsolvenzen des Einzelhandels in den vergangenen Monaten. 

Hier zeigt der KSV1870 auf Nachfrage, ein differenziertes Bild, was die Anzahl und den Umfang der Insolvenzen im Einzelhandel betrifft. Im Jahr 2022 gab es im Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) insgesamt 469 Unternehmensinsolvenzen, 10 davon mit Fokus Uhren/Schmuck. Die Passiva der betroffenen Unternehmen wiesen einen Wert von rund 119 Millionen EUR aus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren 266 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen, 2 davon mit Fokus Uhren/Schmuck. Die Passiva belaufen sich auf 190 Millionen EUR, wobei 132 Millionen aus der Kika/Leiner-Insolvenz stammen.

Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz betont daher: „Trotz steigender Pleitezahlen gegenüber den Vorjahren ist im Einzelhandel und insbesondere im Bereich Uhren/Schmuck das Vorkrisenniveau bis jetzt nicht erreicht worden. Mit Blickrichtung Jahresende könnte sich das im Einzelhandel in Summe ändern, wenngleich eine überbordende Insolvenzwelle nicht zu erwarten ist. Im Bereich Uhren/Schmuck dürften die Pleitenzahlen auch weiterhin eher niedrig ausfallen.“

Auf einen Blick: Schmuck- und Uhrenfachhandel in Österreich

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Der Handelsverband Österreich übt sich in Optimismus. Durch kräftig steigende Reallöhne sollte sich das reale Wachstum der privaten Konsumausgaben im kommenden Jahr auf +1,8% verdoppeln. Vor allem im Bereich der dauerhaften Konsumgüter dürfte das Wachstum mit +2,0% wieder kräftiger ausfallen. „2023 ist für den Handel bisher wie prognostiziert und damit leider nicht so positiv verlaufen wie erhofft. Die Konsumnachfrage der privaten Haushalte ist nach wie vor gedämpft, die nächsten Monate lassen noch keine Besserung erwarten. Umso wichtiger wäre es, dass nun die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft praxisnahe verbessert werden“, betont, Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands Österreich.

Brückenbauer und Vorreiter 

Ja, es ist auf gut Wienerisch gesprochen, aktuell zach. Doch es wäre nicht der Handel, wenn sich daraus nicht neue Chancen ergeben. Nicht umsonst leitet sich der Begriff Handel aus den Worten „handeln“, also „tätig sein“ ab und in ihm steckt das Wort Hand und impliziert, etwas in die Hand zu nehmen. Selbst in Umbruchzeiten, war es immer schon ein herausragendes Merkmal der Kaufleute und des Handels, nicht zu verwalten, sondern zu gestalten. Denn die wirtschaftliche Vormacht Europas für lange Zeit basiert auf der Innovations- und Gestaltungskraft der Händler. Sie waren es, die in neuen Kontinenten Fuß fassten und über den Handel Brücken bauten. Kaiser und Könige verließen sich auf sie in ihre Politik. Sie waren weltoffen und neugierig, oft Vorreiter in vielen ökonomischen Themen. Sie schrieben Wirtschaftsgeschichte.


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