Die österreichische Verbund-Gruppe Diadoro, die auch in Deutschland aktiv ist, feiert 20. Geburtstag – und war nie so „echt“ wie heute.
Nachgefragt. Trendorientierte Mitgliedsbetriebe hat die Diadoro-Verbundgruppe nicht mehr, berichtet der scheidende Chef Werner Probst im Interview mit „DerJuwelier.at“. Er stellt aber auch klar, dass eine radikale Änderung vom Lifestyle-Sortiment zur Juwelierware nicht funktionieren würde.
Werner Probst im Interview
DERJUWELIER.AT: Der Markt ändert sich schneller als je zuvor. Was sind die Antworten der Diadoro-Gruppe auf diese Veränderungen?
WERNER PROBST: Wir sind unsere eigene Marke und stehen für Qualität und Transparenz. Ich denke, dass die Strategie vieler Markenlieferanten nicht wie gewünscht aufgegangen ist, weil sie die Rolle des Juweliers unterschätzt haben. Nur wenige Kunden kommen ins Geschäft und wollen eine ganz bestimmte Marke kaufen. Und selbst wenn das so ist, bietet in 80% dieser ohnehin wenigen Fälle ein guter Verkäufer eine passende Alternative.
Thomas Sabo war ja deshalb erfolgreich, weil es eine Marke war, die die Kunden kaufen und die die Juweliere auch aufgrund der guten Marge verkaufen wollten. Der Erfolg von Thomas Sabo war nicht nur das exzellente Marketing, sondern auch der lenkende Verkauf der Juweliere.
DJ: Wie aber geht nach dieser erfolgsverwöhnten Zeit der Weg zurück zum echten Juwelier?
PROBST: Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass ein differenziertes Vorgehen notwendig ist. Bei uns in der Diadoro-Verbundgruppe hatte es sich ergeben, dass die Zahl der eigenen Geschäfte auf fünf gestiegen ist, und zwar fünf Geschäfte an fünf verschieden strukturierten Standorten. Im umsatzstärksten Geschäft in Toplage in Klagenfurt haben wir uns in den vergangenen Jahren vom trendorientierten Geschäft erfolgreich zum mittelpreisigen Juwelier mit Schwerpunkt Diamantschmuck bis zu 12.000 Euro VK, Trauringe, Nischenschmuck und höherwertigen Uhren entwickelt. Der Trendbereich wurde der Nachfrage angepasst, sorgt für Frequenz und spielt nach wie vor seine Rolle. Wichtiger Bestandteil für diesen Weg ist ein exzellentes Service-Angebot.
DJ: Wie klappt ein Upgrading außerhalb der Innenstadt-Standorte?
PROBST: In kleineren Orten oder als einziger Nahversorger sind wir denselben Weg gegangen, jedoch mehr in die Sortimentsbreite. In einem kleineren Einkaufszentrum mit einkommensschwächerer Klientel kann ich meine Kunden nur behutsam diesen Weg mitnehmen. Eine radikale Änderung vom Lifestyle-Sortiment zur Juwelierware würde nicht funktionieren. Hier braucht man eine klare Strategie bei Ladenbau, Kommunikation, Qualifizierung, Kundenbindung, Sortimentsgestaltung, Finanzierung und vor allem braucht man einen langen Atem.
DJ: Ist der „Weg nach oben“ alternativlos?
PROBST: Der Weg nach oben ist vielen Juwelieren aus verschiedenen Gründen versperrt. Jeder muss seinen eigenen Weg finden.
DJ: Wie hoch ist der Durchschnittsumsatz Ihrer deutschen Diaoro-Partner und wie lässt er sich steigern?
PROBST: Der Durchschnittsumsatz liegt bei unseren deutschen Partnern zwischen 300.000 und 1,3 Mio. Euro, im Schnitt bei 480.000 Euro. Um diese Zahl zu erhöhen, orientieren wir uns an betriebswirtschaftlichen Ansätzen. Ein hoher Umsatz und ein niedriger Wareneinsatz ergeben einen hohen Rohertrag, abzüglich niedriger Kosten erwirtschaftet man ein hohes Betriebsergebnis.
Um den Umsatz zu steigern muss man die Anzahl der Kunden, den Durchschnittspreise pro Stück sowie die verkauften Stück pro Bon erhöhen. Um den Wareneinsatz niedrig und den Rohertrag hoch zu halten, sollte man das Mitarbeiterteam über Aufschläge sensibilisieren, ihnen die Notwendigkeit des Gewinns erklären und den Verkauf auf gut und frei kalkulierte Ware fokussieren.
Aus diesem Grunde hat die Diadoro-Gemeinschaft eine Reihe an Eigenkollektionen realisiert, die den Mitgliedsbetrieben eine hohe Kalkulation bei leicht verkäuflicher Ware sichert. Diadoro ist mittlerweile bei den Mitgliedsbetrieben der größte Lieferpartner mit dem höchsten Rohertrag, ohne dabei nennenswerte Umsätze von den Markenlieferpartnern umgeleitet, sondern eher neue Kundenkreise erschlossen zu haben.
DJ: Auf welche Preislagen konzentrieren Sie sich?
PROBST: Jeder Diadoro-Partnerbetrieb ist in seinen Positionierungsentscheidungen prinzipielle frei. Das ist eine der Stärken des Verbundes. Heterogenität ist entscheidend. Denn es sind unendlich viele Faktoren, die zu betrachten und zu beachten sind: Lage, Ambiente, Qualifizierung, Mitbewerb, Demografie des Standortes und vor allem das Ziel und die Vision des Inhabers.
DJ: Gab es seit Corona Veränderungen bei den Durchschnitts-Verkaufspreisen?
PROBST: Ein klares Ja, der Durchschnittspreis ist nach dem ersten, nach dem zweiten und nach dem dritten Lockdown gestiegen. Und zwar nachfragebedingt. Die Kunden wollten sich Höherwertiges gönnen und sich für die Zeit der Entbehrungen belohnen.
DJ: Gleichzeitig ist die allgemeine Kaufkraft gesunken.
PROBST: Natürlich ist durch eine hohe Arbeitslosigkeit die Kaufkraft gesunken, andererseits ist die Sparquote mangels Ausgabemöglichkeit des Geldes gewaltig gestiegen. Die Juweliere sitzen aufgrund geschlossener Geschäfte auf hohen Warenlägern und haben ihr Einkaufsverhalten dementsprechend angepasst.
DJ: Welche Art der Kontaktaufnahme in Lockdown-Zeiten hat sich für Ihre Verbundgruppe als gut herausgestellt?
PROBST: Die Diadoro-Gruppe hat die gesamte Klaviatur der Onlinewerbung bespielt. Eine hohe Frequenz an E-Mail-Newslettern hat den Webshop-Umsatz sehr beflügelt, individuelle von der Zentrale für die Juweliere versandte Newsletter haben die Service-Box vor dem Geschäft sowie die telefonische Terminvereinbarungen in Szene gesetzt, und permanente Facebook-Posts bildeten die Klammer zu allen Aktivitäten.
DJ: Sind Trendjuweliere in Frequenzstandorten die größten Opfer des Lockdowns?
PROBST: Jene Geschäfte der Diadoro-Gruppe, die trendorientiert waren, sind in den vergangenen Jahren erfolgreich aus dem Markt geschieden oder haben erfolgreich den Weg zurück zum Juwelier gefunden. Deshalb können wir die Frage aus unseren Zahlen nicht bestätigen. Herausforderungen haben Mitgliedsbetriebe in Einkaufzentren. Das liegt jedoch an der noch geschlossenen Gastronomie, die einfach zum Shoppen dazugehört.
DJ: Wie treu ist der Juwelier-Kunde in Lockdownzeiten?
PROBST: Dies ist unserer Erfahrung nach standortabhängig. Je kleiner die Stadt, desto loyaler verhält sich der Kunde.
DJ: Wie schätzen Sie generell die Attraktivität der Lifestyle-Marken ein?
PROBST: Marken wie Thomas Sabo oder Pandora sind noch immer auf hohem Niveau und auf unserem Webshop nach wie vor die meistverkauften Marken.
DJ: Kommen die Fashion-Lizenzmarken jemals zurück?
PROBST: Der Handel wird auch in Zukunft mit Innovationen aus der Industrie einen Großteil seines Geldes verdienen. Es kommt auf die Dosis an, die er nützen will und darauf, ob er trotzdem auf anderen Beinen steht.
DJ: Sehen Sie Sortimente, die auf jeden Fall stabil bleiben werden, beispielsweise Basics oder Trauringe, die Umsatzgaranten der vergangenen Jahre?
PROBST: Vollkommen richtig, Diamant-schmuck, Gold- und Farbedelsteinschmuck, Trauringe, Verlobungsringe, Basics, aber auch Lifestyle-Innovationen und Uhren, die sich zum Fachhandel bekennen, werden stark bleiben.
DJ: Welche strategische und ertragsmäßige Bedeutung messen Sie der Uhr beim echten Juwelier künftig bei?
PROBST: Bei einem Vollsortimenter bzw. Nahversorger bleibt die Uhr ein Must Have. Die Uhr ist beim Otto Normalverbraucher Bedarfsartikel. Im höheren Segment ist es Statussymbol. Somit bringen mittel- und höherpreisige Marken Image und Kompetenz, die den Verkauf von höherwertigem Schmuck unterstützen.