Gefälschte Luxusuhren sind immer schwerer vom Original zu unterscheiden. © Special View/ Shutterstock.com
Der Fachhändler ist der Experte, bei dem Kunden vertrauensvoll teure Uhren kaufen können. Doch was, wenn die Fälschungen so gut werden, dass selbst Experten sie inzwischen nur noch schwer erkennen?
Rolex oder keine Rolex? Das ist eine Frage, die sich leider nicht nur die Konsumenten stellen, die Uhren kaufen wollen, sondern auch die Experten, die sie anbieten. Plagiatsjäger wie die bekannten Munich Wristbusters, mit 226.000 Followern auf Instagram, erkennen gefälschte Uhren auf einem Foto schon mit einem Blick: vielleicht ist die Uhr zu hoch, anders verschraubt, das Band passt nicht…
Doch inzwischen sind die gefälschten Uhren, die aus China den Markt überschwemmen, so überzeugend, dass selbst Experten Probleme haben, das Original vom Plagiat zu unterscheiden.
Unterscheidungsmerkmale werden immer weniger
Der Journalist, Uhren-Blogger und Fälschungs-Experte Thomas Gronenthal hat dem Standard ein Interview zu diesem Thema gegeben. Inzwischen hält der Uhren-Enthusiast auch Schulungen, die dabei helfen sollen, die gefälschten Exemplare von den richtigen zu unterscheiden. Diese besonders gut nachgemachten Uhrenmodelle werden „Superklon“ genannt.
Gronenthal erklärt: „Bei solchen Superklonen wird das Original angekauft, mit modernsten Methoden vermessen, in CAD-Daten umgesetzt und dann repliziert – auch das Uhrwerk. Die gängigen Werke von Rolex etwa werden in China nahezu 1:1 gefälscht.“
Bisher war vor allem die Rolex ein typisches und beliebtes Objekt für Fälscher. Doch Thomas Gronethal berichtet unerfreuliches: „Mittlerweile bauen die Fälscher auch Werke von Patek Philippe, Jaeger-LeCoultre oder Audemars Piguet nach. Die Unterscheidungsmerkmale werden immer weniger.“
Ebenfalls auf der Liste von Uhren, die inzwischen immer häufiger gefälscht werden: Richard Mille, Constantin Chaykin, MB&F und Sinn. Laut Thomas Gronenthal machen die Fälscher also auch vor kleinen Uhrenmarken und Spezialmodellen nicht Halt.
Seinen Erfahrungen nach sind bereits Plagiate im Umlauf, die bereits um bis zu 80 Prozent an die Qualität des Originals heranreichen – auch, was die Ganggenauigkeit des Werks angeht. In der Produktion liegen die Uhren-Fakes etwa zwischen 500 und 800 Dollar, verkauft werden sie bei den Betrügern natürlich um ein Vielfaches.
Wer kauft die Fake-Uhren?
Es stellt sich natürlich auch die Frage, wer die Abnehmer für diese Uhren sind. Thomas Gronenthal bewegt sich in vielen Foren und auf Webseiten, wo Uhrenkäufer sich aufhalten und austauschen. Die Gründe, bewusst eine gefälschte Uhr zu kaufen, sind ganz unterschiedlich. Zum einen gibt es natürlich die Aufschneider, die mit der Uhr gerne Eindruck schinden wollen – es gibt aber auch Menschen, die ihr Leben lang von einer teuren Uhr träumen und sich das Original aber schlichtweg nicht leisten können. Und dann gibt es noch Sammler, die ein Original besitzen und die Fälschung kaufen, um die Unterschiede selbst zu erleben und Bildmaterial dazu im Internet zu posten. Doch: Laut Gronethal gehen diese Menschen leider auch zu einem Konzessionär, um zu testen, um dieser den Unterschied erkennt. Aus eigener Erfahrung weiß der Fälschungs-Experte: Nein, die Konzessionäre erkennen die gefälschten Uhren leider nicht!
Plagiat kaufen, um Original zu schützen?
Es gibt noch eine weitere Gruppe an Konsumenten, die bewusst zum Plagiat greifen. Es sind die Menschen, die die Original-Uhr besitzen, aber sie lieber im eigenen Safe schlummern lassen, damit sie dort nicht abgetragen wird und ihren Wert verliert. Ans Handgelenk im Alltag wandert dann die Fake-Uhr – um wenigstens ein bisschen was des Glanzes auszustrahlen, den man ja theoretisch haben könnte.
Und falls die Uhr gestohlen wird – was immer häufiger in Großstädten auch am helllichten Tag und direkt im Vorbeigehen passiert – dann ist der Verlust immerhin nicht so groß.
Mit Facebook zur Fake-Uhr
Egal, aus welchem Grund man die Fake-Uhr kauft: An ein Plagiat zu kommen, ist spielend einfach. Thomas Gronenthal berichtet, Facebook sei mit einer der größten Handelsplätze für Plagiate. Dass die Uhren es durch den Zoll schaffen, liegt auch an den schieren Mengen, die eingeführt werden – den Überblick zu behalten ist so gut wie unmöglich. Wie das möglich ist, erklärt der Uhren-Blogger ebenfalls: „Große und in der einschlägigen Forenwelt sehr bekannte Händler haben ein Lager in Europa. Die verschiffen die Ware containerweise in die EU und lagern sie hier. Eine andere Methode ist das Triangle-Shipping: Die Uhr wird aus China in ein EU-Land geschickt, wo die Zollkontrollen lax sind, dort wird umgelabelt und innerhalb der Union weiterversendet.“
Gibt es eine Lösung: Laut Gronenthal ist es schwierig. Den Produktionsstätten der Fälscher in China ist kaum beizukommen. Und nur weil eine Uhr wie von Rolex gefälscht ist, schadet das auch nicht per se dem Markenimage. Immerhin ist Rolex eine der begehrtesten Uhrenmarken der Welt. Das Image stimmt – daher werden sich auch in Zukunft viele Menschen, ob willentlich oder unwisssentlich – auf den Kauf einer Fake-Uhr einlassen.