Interview mit Massimo Carraro: „Leidenschaft für die schönen Dinge“

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Massimo Carraro, Präsident Morellato Group, schreibt gemeinsam mit seinem ambitionierten Team die Erfolgs-geschichte des Traditionsunternehmens fort. Fokus liegt auf der Integration von Christ und der kontinuierlichen Netzwerkerweiterung. © MORELLATO

Schmuck: ein Gefühl, eine Emotion. Sechs Monate nach der Übernahme der CHRIST Group spricht Massimo Carraro, Präsident der MORELLATO Group, über ein Jahr des Wachstums und den Status der Integration. Er zeichnet einen positiven Ausblick in die Zukunft. Es ist ein Gespräch über Leidenschaft und Emotion, eine nachhaltige Strategie und darüber, was Luxus eigentlich bedeutet.



DERJUWELIER.at (DJ): Mit dem Kauf der deutschen Christ Group ist der deutsche Markt mit einem Umsatzanteil von 53 Prozent der größte Markt für Morellato. Wie ist der Status der Integration?

MASSIMO CARRARO (MC): Wichtig ist mir zu betonen, dass Integration nicht gleichbedeutend mit Zentralisierung ist. Denn ich bin überzeugt, dass jeder Markt von jenen Menschen geführt werden sollte, die den Markt leben und kennen. Wir wollen daher alle Kompetenzen und Möglichkeiten, die den deutschen Markt betreffen, in der Christ Group halten. Unter Integration verstehen wir folglich vor allem, die weitere Entwicklung der Christ Group in die Produktionserfahrung und die handwerkliche Kultur von Morellato zu begleiten. Dabei sind wir auf Plan und mit dem Fortschritt sehr zufrieden.

DJ: Erwarten Sie für das Jahr 2023 einen weiteren Umsatzrekord?

MC: Für dieses Jahr prognostizieren wir auf Group Level ein Wachstum von zehn Prozent. Jedoch geht es uns nicht um Wachstum um jeden Preis, sondern darum, weiterhin ein solides und gesundes Unternehmen zu führen, in dem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut arbeiten. Unsere Priorität ist, qualitative Produkte herzustellen. Die erfolgreiche Integration von Christ ist daher eines unsere vorrangigen Ziele.

DJ Abseits der Märkte Italien, Deutschland und Frankreich, wo liegt das größte Wachstumspotential?

MC: Unsere Referenzmärkte sind der Nahe Osten über unsere Tochtergesellschaft in Dubai, Spanien und einige osteuropäische Märkte, die weiterhin gut wachsen, wie etwa Polen, die Tschechische Republik und Ungarn.

DJ: Im Rahmen der Präsentation des Geschäftsberichts haben Sie mitgeteilt, dass entlang Ihrer Strategie weitere Shop-Eröffnung der Christ-Group in Deutschland für das kommende Jahr 2024 geplant seien.

MC: Mit unserer Omnichannel-Strategie schaffen wir ein integriertes Kundenerlebnis. Wir planen daher eine Netzwerkerweiterung in Deutschland. In diesem Jahr werden wir vier und im kommenden Jahr zehn neue Standorte eröffnen.

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DJ: Ist eine neue Produktlinie in Planung?

MC: Wir stellen in jeder Saison neue Produkte und neue Linien vor. Die Priorität liegt aktuell auf Hochzeit und den absolut im Trend liegenden Diamanten, Saphiren und Smaragden. Sicher werden wir auch die Erfahrung mit italienischer Goldschmiedekunst in der Schmuckproduktion mehr und mehr in die Geschäfte der Christ Group bringen.

DJ: Das Gründungsjahr der heutigen Morellato Group war 1930. Was machte das Unternehmen über den langen Zeitraum so erfolgreich?

MC: Es sind immer viele Gründe, die zum Erfolg führen. Langfristig gesehen, waren zwei davon sicherlich besonders ausschlaggebend: die Menschen bei Morellato und nun auch der Christ Group, ihre Leidenschaft, ihre Begeisterung und die Qualität ihrer Arbeit. Sowie unsere Erfahrung als Produzent, die wir seit unserer Gründung im Jahr 1930 in Venedig mitbringen. Es ist eine Kultur, die wir in uns tragen und leben.

DJ: Was bedeuten diese Erfolgsfaktoren für den heutigen Markt? Welchen Vorteil bringen sie?

MC: Der Vorteil ist, wir kennen das Geschäft bis ins Detail. Als Schmuckproduzenten setzen wir auf die Steuerung der gesamten, integrierten Lieferkette. Das beginnt beim direkten Rohstoffeinkauf in den Minen, geht über die Produktion basierend auf den Vorgaben unserer Designer bis hin zum Verkauf in den Geschäften in Deutschland, Frankreich und Italien. Diese Strategie ermöglicht uns ein, aus unserer Sicht, sehr gutes Preis-Leistung-Verhältnis zu bieten.

DJ: Sie sprechen das Thema Preise an. Wie geht Morellato mit der hohen Inflation um?

MC: Obwohl die Inflation durchgerechnet seit vergangenem Jahr rund 15 Prozent beträgt, haben wir unsere Preise im Jahr 2022/23 nur um drei Prozent erhöht. Das ist ein weiterer positiver Effekt der durchgängigen Steuerung unserer Produktions- und Vertriebskette. Wir sind wettbewerbsfähiger.

DJ: Wie schätzen Sie die konkurrierende Situation zwischen Einzelhandel und Online-Handel ein? Was unternehmen Sie, um Kannibalisierungseffekte zu vermeiden?

MC: Das Problem besteht ebenso, wie das Internet an sich. Daher müssen wir diese Situation annehmen und gestalten. Wir leben das. Seit elf Jahren entwickeln wir unsere Omnichannel-Strategie kontinuierlich weiter. Unser Ziel ist es, den E-Commerce und den stationären Handel miteinander zu integrieren.

DJ: Was sind dabei die zentralen Fragestellungen?

MC: Zentral ist, die Wege der Kaufentscheidung zu verstehen. Etwa wie kommen die Verbraucherinnen und Verbraucher ins Geschäft und wenn sie im Geschäft sind, wie gestalten wir ihr physisches Erlebnis optimal. Denn wir sehen, dass etwa geschulte und erfahrene Verkaufsberaterinnen und -berater noch immer das beste Shopping-Erlebnis bieten. Daher bauen wir neben dem E-Commerce auch das Geschäftsnetz aus.

DJ: Die Kunden schätzen also weiterhin den persönlichen Kontakt?

MC: Ja definitiv. Das ist mit eine der schönsten Seiten der Welt des Schmucks. Schmuck ist in erster Linie ein Gefühl, eine Emotion. Diese erreicht man nur durch den persönlichen Kontakt. Kundinnen und Kunden suchen dieses emotionale Erlebnis und die Erklärung.

DJ: Blicken wir etwas weiter in die Zukunft. Welche Faktoren werden maßgeblich den Unternehmenserfolg prägen. Ist es ein verändertes Kaufverhalten etwa der jungen Leute? Sind es Themen wie Nachhaltigkeit oder künstliche Intelligenz?

MC: Nachhaltigkeit ist ein zentraler Wert von Morellato. Ist die Morellato-Bilanz durch die ESG zertifiziert? Ja und wir sind es als eines der ersten Schmuckunternehmen der Welt.  Aktuell durchlaufen wir den Zertifizierungsprozess des Responsible  Jewellery Council (RJC). Wir haben 100 % nachhaltige Marken im Programm und nicht nur, weil wir auch 100 % recyceltes Gold und nachhaltige Edelsteine in den Geschäften von Christ führen.

DJ: Adressieren sie damit speziell die jüngere Generation?

MC: Junge Menschen fordern Nachhaltigkeit und sie haben Recht damit. Es ist jedoch ein Wert, der nicht nur für die jüngeren Generationen gilt. Er gilt für alle Generationen. Denn der ökologische Notstand ist einer der größten Notstände von heute und in den kommenden Jahren.

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Das Wachstum in Deutschland geht weiter: Nach der Übernahme von Christ, plant Morellato den weiteren Ausbau des Netzwerks. In diesem und im kommenden Jahr steht die Eröffnung von weiteren 14 Standorten am Plan.

DJ: Und bezugnehmend auf die künstliche Intelligenz?

MC: Was die künstliche Intelligenz betrifft, so wäre ich etwas vorsichtiger. Sie kann vielleicht ein nützliches Werkzeug sein, jedoch müssen wir in unserem Metier immer an die menschliche Sensibilität und Fähigkeit zu Emotionen gebunden bleiben. Denn, wie ich zuvor erwähnt habe: Schmuck und Juwelen sind Emotion. Das bedeutet nicht, dass ich den technologischen Fortschritt ablehne. Jedoch sollte der Wert des Menschen immer an erster Stelle stehen.

DJ: Sie sprechen den Wert des Menschens in der Schmuckerzeugung an. Was sollte jemand, der diese Arbeit macht mitbringen?

MC: Definitiv braucht es eine Leidenschaft für schöne Dinge.

BPJ: Abschließend eine grundlegende Frage. Was ist Luxus?

MC:  Luxus ist nicht nur das, was viel kostet und sich nur wenige leisten können. Luxus ist meiner Ansicht nach etwas Hochwertiges, Originelles, Kreatives und damit Einzigartiges. Ich glaube, dass es heute vorwiegend unter jungen Menschen eine neue Idee von Luxus gibt, den wir in vollem Umfang teilen und den wir brauchen. Für Morellato ist Luxus, die Fähigkeit unserer Designer einzigartige, schöne Dinge zu kreieren und die Qualität unserer Fabriken diese herzustellen.

Danke für das Gespräch.

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