Schlachtet René Benko Handelsflächen in Innenstadtlagen aus, um sie in teure Büros und Luxuswohnungen umzuwandeln? René Benko ist nicht unumstritten. Sein aktuelles Engagement für die Innenstädte aber ist groß. Mehr noch, er könnte eine Vision haben, wie in Zukunft Einzelhandel in der Innenstadt funktioniert.
Immobilien-Mensch oder Einzelhandelsversteher? René Benko, Chef der Signa-Gruppe, findet immer mehr Gefallen am Einzelhandel. Warum? Weil ohne ihn die Innenstadt nicht funktioniert.
Wer die aktuellste Pressemitteilung von Signa liest, könnte meinen, alles sei auf den E-Commerce ausgerichtet. Angefeuert von Corona wächst die Onlineplattform SIGNA Sports United um 39 %. 30 Markenshops führender Bike-, Tennis-, Outdoor- und Teamsporthersteller gehören dazu mit vier Millionen aktiven Kunden und über 200 Mio. Besuchern pro Jahr. Alles online, oder was?
Mitnichten. Die Liste der stationären Projekte der Signa-Gruppe ist lang. Und man bekommt den Eindruck, als ob Renè Benko ein echtes Interesse am innerstädtischen Einzelhandel hat, nicht erst seitdem er Chef von Galeria Karstadt-Kaufhof ist. Seine aktuellen Projekte bestehen meist aus einem vollumfänglichen Mix von Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und Freizeitaktivitäten und könnten ein Bild des Einzelhandels der Zukunft sein. Gesucht wird die jeweils beste lokale Idee, Frequenz und Kaufkraft in die Innenstadt zu holen. Hier ein Auszug einiger seiner Signa-Projekte.
München:
In München haben die Bauarbeiten für die Revitalisierung der Alten Akademie in der Münchner Innenstadt begonnen. Im historischen Gebäudekomplex wird es auf einer Fläche von mehr als 21.000 Quadratmetern eine Mischung aus Einzelhandel, Gastronomie, modernen Büros und attraktiven Wohnungen geben. Die rund 9.000 Quadratmeter großen Büroflächen bieten flexible Möglichkeiten für innovative Raumlösungen. Retail-Konzepte werden auf rund 8.000 Quadratmetern inszeniert. Die Fertigstellung ist für 2023 geplant. Investitionsvolumen: mehr als 400 Mio. Euro.
Hamburg:
In Hamburg hat die SIGNA Development Selection das historische Gebäudeensemble FlüggerHöfe erworben. Die FlüggerHöfe bestehen aus vier Baukörpern, die über eine Mietfläche von rund 8.600 Quadratmetern verfügen. Die Gebäude aus den Jahren 1888, 1908 und 1937 sind durch einen großzügigen Innenhof verbunden. Das ehemalige Flüggerhaus und die ehemalige Hamburger Sparkassenzentrale werden derzeit überwiegend als Büros genutzt. Im Erdgeschoss befinden sich jeweils Flächen für den Einzelhandel.
Wolfsburg:
Signa ist auch bei den Planungen des Zukunftsquartiers am Wolfsburger Nordkopf beteiligt. Das Projekt folge einem Zielbild für eine „Stadt der Zukunft“, heißt es. Auf dem Innenstadt-Areal südlich und westlich des Wolfsburger Hauptbahnhofs soll eine urbane Quartiersentwicklung realisiert werden. Dabei werden erlebnisorientierter Einzelhandel, zukunftsgerichtete Mobilitäts- und Digitallösungen, attraktive Freizeitangebote sowie Hotel-, Büro- und Wohnnutzungen integriert. „Wir wollen möglichst viele Nutzungsmöglichkeiten an einem Standort vereinen, um Arbeit und Freizeit harmonisch miteinander zu verbinden“, sagt Timo Herzberg, CEO SIGNA Real Estate Germany.
St. Pölten/Österreich:
Die Quartiersentwicklung „Leiner Areal“ in der Innenstadt von St. Pölten umfasst eine rund 9.000 Quadratmeter große Grundstücksfläche. Angestrebt ist ein Nutzungsmix aus Handel, Wohnen, Beherbergung und Veranstaltung. Die Verkaufsflächen in der Größenordnung von aktuell 17.000 Quadratmetern werden verkleinert, 150 Wohnungen, ein Hotel mit etwa 150 Zimmern, ein Konferenzzentrum und eine Tiefgarage sind geplant. Verläuft alles nach Plan, könnte schon im Jahr 2021 mit dem Bau begonnen werden.
Christoph Stadlhuber, CEO SIGNA Real Estate Austria: „Wir bei SIGNA glauben an den stationären Handel und an die Innenstädte. Im Zuge der Quartiersentwicklung ist es wichtig urbane Flächen in einen neuen Kontext zu stellen und unterschiedliche Nutzungen inhaltlich miteinander zu verbinden. Letztendlich bauen wir für Menschen.“ Diese Weiterentwicklung rund um das ehemalige „Leiner Areal“, ein Wahrzeichen St. Pöltens, habe großen Einfluss auf die Attraktivität der Innenstadt, so Stadlhuber. Übrigens: Die Corona-Krise hätte keine Auswirkungen auf den Planungsverlauf der Immobilien-Projekte gehabt.
Wien/Österreich:
Auch die Planungen des unter dem Namen „KaDeWe in Wien“ bekannt gewordenen Signa-Projekts schreiten voran. Das ehemalige Einrichtungshaus Leiner in der Top-Einkaufsstraße Mariahilfer Straße wird sich in ein Luxuskaufhaus mit Gastronomie und Hotellerie verwandeln. Nach einem passenden Namen wird derzeit noch gesucht, „KaDeWe“ soll es nicht heißen, allerdings ist der Sieger-Architekturentwurf bereits gekürt. Am Standort des jetzigen Leiner-Kaufhauses soll die moderne Version eines Traditions-Warenhauses mit einem Mix aus Shopping, Gastronomie, Hotel und konsumfreien Zonen entstehen. Geplant ist ein Mietermix mit Waren aus dem Premium-Segment, Produkten des täglichen Bedarfs und lokalen Fashionlabels. Auf dem Dach stehen den Besuchern anspruchsvolle Gastronomie und ein öffentlich zugänglicher Dachpark mit Blick über die Stadt zur Verfügung. Diese Fläche von rund 1.000 Quadratmetern ist als konsumfreie Zone geplant und soll auch außerhalb der Geschäftszeiten zugänglich sein. Das Projekt sieht außerdem ein Hotel mit 150 bis 165 Zimmern vor.
Vittorio Radice, Executive Chairman der KaDeWe Group: „Dieses Landmark-Projekt bietet uns als KaDeWe-Group die einmalige Chance, das Warenhaus des 21. Jahrhunderts an diesem einzigartigen Standort zukunftweisend neu zu interpretieren. Wir werden eine Begegnungsstätte für die Wiener Bevölkerung und die internationalen Besucher Wiens schaffen, die zum Flanieren, Verweilen und Konsumieren einlädt. Architektur, Gastronomie und natürlich der wunderbare Dachpark mit seiner Aussicht über ganz Wien werden ein einzigartiges Erlebnis, eine Erlebniswelt für die Besucher kreieren. Dieses Projekt ist damit auch ein Statement für die Zukunft und die Weiterentwicklung des stationären Einzelhandels für die wir stehen und von der wir fest überzeugt sind.“
Lech/Österreich:
Wie dagegen Probleme im Detail aussehen, kann derzeit im österreichischen Lech am Arlberg beobachtet werden. Dort plant die KaDeWe-Group, an der auch René Benko beteiligt ist, ein Luxus-Kaufhaus mit 2.500 Quadratmetern Verkaufsfläche im künftigen Gemeindezentrum. Allerdings fehlen derzeit noch rechtliche Grundlagen. Zwar haben die Bauarbeiten bereits begonnen, allerdings nur für 500 Quadratmeter Verkaufsfläche. Wenn mehr als 600 Quadratmeter geplant werden, muss die Gemeinde neue Hürden nehmen. Für ein Kaufhaus in dieser Größenordnung braucht es die Zustimmung der Landesregierung.
Wie sich die Landesregierung im Falle eines Antrages auf ein Kaufhaus mit 2.500 Quadratmetern Verkaufsfläche positionieren würde, hängt von einer Studie ab, die sie bereits in Auftrag gegeben hat. Mit der Studie soll geprüft werden, welche Auswirkungen ein Einkaufszentrum in Lech hätte. Händler aus dem Ort haben offen Kritik geübt, weil sie befürchten, dass ihre Geschäfte dadurch Schaden nehmen.
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