Immer mehr Leerstände in Österreich – Handel im Wandel

Leerstand Mariahilfer Straße April 2024 | Brüder Graf Uhren Juwelen © DERJUWELIER.at

Auch die Uhren-Schmuck-Branche ist in Sachen Leerstände betroffen ... hier beispielsweise Uhren Juwelen Brüder Graf – direkt daneben Textiler Orsay. © DERJUWELIER.at

Viele Städte in Österreich kennen Leerstände. Exemplarisch dafür: die größte Einkaufsstraße des Landes – die Wiener Mariahilfer Straße. Wie sehr ist der Handel im Wandel und was kann man aus Leerständen lernen?



„Der Trend des Shopflächenrückgangs setzt sich das sechste Jahr in Folge fort. In den wichtigsten Einkaufsstraßen haben wir 2023 im Handel erneut rund 9.000 m² verloren. Dabei sind 90 Prozent der Ortskerne und Peripherien in den ländlichen Regionen noch gar nicht berücksichtigt, wo sich das tatsächliche Ausmaß aufgrund langer Laufzeiten bei Miet- und Pachtverträgen erst noch zeigen wird.” Diesen „Ausblick” gibt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will, schießt aber hinterher: „Positiv ist, dass die Leerstandsquote in den 40 untersuchten Innenstädten des Landes von 6,8 Prozent auf 6,7 Prozent minimal zurückgegangen ist. Das liegt aber vor allem daran, dass viele Geschäftslokale nach einem Leerstand nun in einer Umbauphase stecken, die oftmals weg vom Retail und hin zu anderen Nutzungen führt, etwa Arztpraxen oder Friseursalons. Der Leerstand geht also leicht zurück, aber die Flächen gehen weg vom Handel.”

Damit bestätigt sich, was vielerorts gefühlt wird: Es gibt immer mehr Leerstände in Österreich. Die größte Einkaufsstraße des Landes, die Wiener Mariahilfer Straße mit 210.500 m² weist eine Leerstandsquote von 4,9 Prozent auf (Quelle Standort + Markt S+M City Retail Health Check)


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Leerstände betreffen auch größte Shoppingmeile in Österreich

Dieser Tatsache, dass auch die größte Einkaufsstraße des Landes, die Mariahilfer Straße – liebevoll Mahü genannt – betroffen ist, hat sich auch „Der Standard” gewidmet. Bei einem Lokalaugenschein und Gesprächen mit verbleibenden Händlern ist die aktuelle Großbaustelle U2/U5 ein Thema, aber auch die Situation, dass Handel ständig im Wandel ist. Und auch das Konsumverhalten ändert sich. Der stationäre Handel in der Mahü ist laut einer E-Commerce-Erhebung vom boomenden Onlinehandel besonders bedroht: Das bekleidungsorientierte Mittelpreissegment ist demnach überrepräsentiert, es wird von Zalando und Co besonders bedrängt.

Ein Spaziergang über die Mahü beweist: Leerstände gibt es einige …

Lamarr – die Mutter der Leerstände

Der derzeit größte Leerstand – eigentlich noch Baustelle –  ist das geplante Luxuskaufhaus Lamarr, das noch der insolventen Signa Holding gehört. Was damit werden wird, bleibt bis dato fraglich. Doch die Bauruine schlägt sich auch in Zahlen zu den Leerständen nieder: Fast zehn Prozent der gesamten Verkaufsfläche der Mariahilfer Straße – gerechnet von Gürtel bis Getreidemarkt – entfallen auf das Einkaufszentrum, so Roman Schwarzenecker von der Beratungsfirma Standort + Markt, die sich seit 2015 mit den Leerständen in Österreichs Innenstädten befasst, gegenüber dem „Standard”. Es sei zu hoffen, dass hier „etwas Ordentliches” auf die Beine gestellt werde, der untere Teil der Mariahilfer Straße sei ohnehin schon schwächer.

Veränderung des Branchenmix der Primär- und Sekundärstädte 2014-2023 © S+M-Dokumentation City-Retail Österreich 2023/24
Veränderung des Branchenmix der Primär- und Sekundärstädte 2014-2023 © S+M-Dokumentation City-Retail Österreich 2023/24

Lage für den Handel bleibt herausfordernd

Die Lage für Händlerinnen und Händler bleibt herausfordernd – dieses Fazit zieht man im S+M City Retail Health Check. Denn Fluktuationsraten von mehr als 15 Prozent in großen Citys wie Innsbruck und Klagenfurt bzw. von knapp 20 Prozent z.B. auch in der A-Lage von Eisenstadt sprechen für sich. Den Einzelhändler:innen, Dienstleistern und Gastronomen steht das Wasser bis zum Hals. Kumuliert man den harten Leerstand der Primär- und Sekundärstädte (4,9 Prozent) mit in Umbau befindlichen Leerstehungen (3,9 Prozent), so liegen wir zwischenzeitlich bei 8,8 Prozent Gesamtleerstand. Nur 2021 lag dieser Wert mit 9 Prozent noch höher. Dies ist ein Grund, wieso viele Stadtbilder auch optisch von Leerstand geprägt ist. Auch viele Liegenschaftseigentümer haben nach länger andauerndem Leerstand das Handtuch geworfen und bieten die ehemalige Shopfläche nicht mehr als solche an, sondern als Büroflächen, sozialen Einrichtungen, Lagerstätten oder Arztpraxen.

Ohne diese Flächentransformationen läge der Leerstandsanteil sogar bei 12,9 Prozent.Für die Zukunft heißt das: „Wir erwarten auch im kommenden Jahr ein Schrumpfen der Shopflächen in den Citys. Verkaufsflächenreduktion ist angesagt. Hotels, Büros oder Wohnungen könnten Shopflächen ersetzen. Es werden auch vermehrt Retail-Einzelkämpfer das Feld räumen, das Straßenbild wird sich dadurch wohl weiter deutlich ändern”, prognostiziert Standort+Markt-Geschäftsführer Hannes Lindner. „Eines lehren uns die Zahlen der letzten Jahre: Shopflächen allein bestimmen nicht das Leben und die Frequenz der City; die Multifunktionalität der City kann einiges an Frequenz gut machen. City-Resilienz wird zukünftig durch City-Multifunktionalität definiert!”

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