Die Referenz 2915-1 ist ein historisch bedeutendes Modell, denn sie ist der erste Chronograph mit einer Tachymeterskala auf der Lünette. © Uncrate
Et tu, Brute? Eine Omega „Speedmaster Broad Arrow 1957“ erzielte bei einer Phillips-Auktion den Höchstpreis von über 3,2 Millionen Euro und war damit die mit Abstand teuerste Omega aller Zeiten. Doch das Moonwatch-Modell entpuppte sich leider als Frankenstein-Uhr. Mittlerweile deutet vieles darauf hin, dass der Vintage-Zeitmesser von Omega-Mitarbeitern mit gefälschten Komponenten begehrlicher gemacht wurde. Da das Unternehmen selbst jedoch bei der Auktion zugeschlagen hat, fragt man sich, ob eine stille Agenda hinter dem Vorfall steckt.
Vom Höhenflug zur Ernüchterung: Nach der spektakulären Phillips-Versteigerung eines der frühsten Modelle der Omega Speedmaster (1969 mit der NASA zum Mond geflogen, Moonswatch) im November 2021 ist nun klar, dass sich nicht alles mit rechten Dingen zugetragen hat. Denn die zuvor auf 80.000 Franken geschätzte Uhr kam für 3,2 Millionen Euro unter den Hammer. Rekordverdächtig! Die Uhr sei perfekt gealtert, hieß es damals seitens Omega.
Doch schon zum Zeitpunkt der Ankündigung des Auktionshauses, eine solche Omega gehe bald in den Verkauf, hatten einige Kenner und Sammler das Gefühl, das Exemplar schon einmal gesehen zu haben, berichtet die Neue Züricher Zeitung (NZZ). Ein Berner Uhrenhändler hatte eine sehr ähnliche Speedmaster zuvor für einen Bruchteil des Auktionsergebnisses verkauft und große Mühe gehabt, sie überhaupt loszuwerden. Verständlich: Denn der Händler spielte mit offenen Karten. Bei seiner „CK2915-1“ handelte es sich zwar um ein Original, aber wichtige Teile gerieten in den vielen Jahren durcheinander und passten historisch gesehen nicht mehr zusammen. Dadurch verringerte sich der Sammelwert, da bei Vintage-Uhren natürlich jedes Bauteil eine wichtige Rolle spielt.
Ein Bastelprojekt sollte die Speedmaster aufwerten
Nun ist bekannt geworden, dass die Speedmaster manipuliert wurde: Das Werk hat eine neue Seriennummer bekommen, da die ursprüngliche Nummer nicht zum Baujahr passte. Ebenso wurde vermutlich an der Lünette, dem Sekundenzeiger und der Leuchtmasse herumhantiert. So ist beispielsweise die Leuchtmasse bei einer Uhr aus den Fünfzigern oft nachweislich radioaktiv, was man bei modernen Ausstattungsteilen nicht mehr vorfindet. Auch das Zifferblatt wird von Branchenexperten wie Jose Pereztroika kritisiert. Laut ihm sei dieses zu gleichmäßig gealtert.
So gelang der lukrative Vintage-Betrug
Da das Original-Werk nachweislich nach 1957 produziert wurde, gab eine Kontaktperson von Omega den Betrügern die passende Seriennummer heraus. Professionelle Uhrenzulieferer aus der Westschweiz stellten eine Ankerradbrücke inklusive eingravierter neuer Seriennummer her. Bei der Lünette handelt es sich um eine Referenz aus dem Jahr 1958, welche deckungsgleiche Gebrauchsspuren wie das Frankenstein-Modell aufweist. Auch die Leuchtmassen wurden wieder leicht radioaktiv gemacht, um den Eindruck historischer korrektheit zu geben.
Ehemalige Mitarbeiter mit externen Komplizen
Bemerkt hatte den Schwindel zunächst niemand, obwohl es wie erwähnt Zweifel gab. Erst nach genaueren Vergleichen der Experten im Auftrag der NZZ festigte sich der Gedanke: Es musste die Uhr des Berner Händlers sein – oder zumindest Teile davon. Schlecht für Omega. Denn die besagte Omega „Speedmaster 2915-1 Tropical Broad Arrow“ wurde laut neusten Meldungen vom Leiter des firmeneigenen Museums mit dem Segen der Firmenleitung gekauft. Der Museumsdirektor habe argumentiert, dass diese spezielle Speedmaster von 1957 eine seltene und einzigartige Uhr sei, die in die Sammlung von Omega aufgenommen werden müsse und daher unabhängig vom Preis bei der Auktion gekauft werden müsse.
Wer ist Käufer und wer Verkäufer?
Aber es wird noch verzwickter für Omega: Seit Kurzem gibt es eindeutige Beweise dafür, dass drei ehemalige Mitarbeiter offenbar mit klaren kriminellen Absichten an dieser Operation beteiligt waren, und Omega nun unter dem massiven Schaden zu leiden hat. „Nachdem wir sie mit den Fakten konfrontiert haben, haben sie gestanden, betrügerisch und kriminell gehandelt zu haben. Wir sind jetzt daran, alles bis ins letzte Detail zu rekonstruieren und auch (wahrscheinliche) externe Komplizen dingfest zu machen“, bestätigte CEO Raynald Aeschlimann.
Die Zusammenfassung ist verblüffend: Drei Omega-Mitarbeiter haben zusammen mit Drittpersonen aus Original- und nachgebauten Teilen eine Uhr kreiert, ihr einen sauberen Stammbaum ausgestellt und sie dann – mit Geld von Omega – zu einem sehr hohen Preis sozusagen sich selber abgekauft. Sie stehen damit im Verdacht, sich selbst bereichert und das Unternehmen Omega betrogen zu haben.
Selbst Profis erkennen Pfusch selten
Dass Vintage-Uhren „optimiert“ werden, um höhere Preise zu erzielen, ist eine weitverbreitete Praxis. Nicht immer ist die Manipulation so schwerwiegend wie im Fall dieser Speedmaster. Seit die Preise für Vintage-Uhren so stark abgehoben hätten, seien Manipulationen gang und gäbe, behaupten Branchenkenner. So viele „äußerst seltene“ Omega- oder Rolex-Modelle, wie in den vergangenen Jahren angeboten worden seien, gibt es laut Expertenmeinung gar nicht. Denn oft kann man die Uhren anonym verkaufen. Alles bis ins letzte Detail zu prüfen, wäre illusorisch, selbst wenn man wie Phillips viele Spezialisten für Sammleruhren beschäftigt. Die Verantwortung wird in diesem Fall dem Käufer übertragen. Es stellt sich also die Frage: Hätte Omega es selbst besser wissen müssen?
Keine Kommentare