
Was funktioniert am Markt? Unter österreichischen Juwelieren herrscht bei der Standortfrage Innenstadt oder EKZ keine Einigkeit. Während Kruzik etwa seine Filialen im Riverside und dem Auhof Center geschlossen hat, sind die beiden Wiener Shopping Center Teil der großen Österreich-Offensive von CHRIST. Eröffnet werden die beiden neuen Geschäfte noch in diesem Sommer. © Kruzik/ Alois Fischer
Die richtige Positionierung – sowohl strategisch am Markt als auch im wörtlichen bzw. geographischen Sinn – ist für Einzelhändler von entscheidender Bedeutung. Die These, dass hochwertige Uhren und Schmuckstücke sich besser in Innenstadtlagen verkaufen und nur die Einstiegspreisklasse in Shopping Centern funktioniert, gilt zumindest nicht generell, wie etliche Beispiele zeigen. Und der Strukturwandel im Einzelhandel trifft Einkaufsstraßen und Shopping Center gleichermaßen.
Strukturwandel, Krise und Perspektivlosigkeit sind Schlagworte, die seit Jahren fallen, wenn es um den Status Quo und die Entwicklung des stationären Handels geht. Das Schreckgespenst verödeter Stadtzentren wurde häufig an die Wand gemalt. Bewahrheitet hatte sich das düstere Szenario allerdings nur während der Einschränkungen und Lockdowns im Coronajahr 2020. Kaum waren die Einkaufsstraßen wieder frei zugänglich und die Läden geöffnet, wandte sich der Großteil der Menschen wieder vom Kauf per Mausclick und teilweise auch den kulinarischen Lieferdiensten ab und nutzte die Möglichkeit zum analogen Schaufensterbummel, Shopping und Restaurantbesuch. Heute unterscheidet sich das Straßenbild kaum von jenem vor der Pandemie. Allerdings war die Lage des heimischen Einzelhandels schon damals nicht rosig und eine Trendwende ist auch jetzt nicht in Sicht.
Weniger Innenstadtgeschäfte
Laut dem aktuellen „City Retail Health Check“, für den der österreichische Handelsverband und das Analyseunternehmen Standort + Markt seit 2013 alljährlich die Entwicklung der 24 größten Einkaufsstraßen sowie 16 Kleinstädten untersucht, zeigt ein durchwachsenes Bild. Zwar ist die Verkaufsfläche der 20 größten Städten von 2023 um +0,26% gewachsen, das Plus ist aber fast ausschließlich auf die im Vorjahr eröffnete Wiener Shopping Mall Vio Plaza (+10.600 m²) zurückzuführen. Ohne diese Expansion wäre die Verkaufsfläche um 0,37% gesunken. Auf der anderen Seite haben sieben von zehn Innenstadtbereichen in den größeren Städten weiter an Verkaufsfläche verloren. In den heimischen Kleinstädten zeigt sich sogar ein noch deutlicherer Rückgang, hier haben 13 von 16 Innenstadtbereichen Flächeneinbußen hinnehmen müssen.
Vom innerstädtischen Strukturwandel besonders betroffen war und ist der Modehandel, der in den letzten zehn Jahren rund ein Fünftel (123.000 m²) seiner Verkaufsfläche verloren hat, relativ stabil dagegen ist die Lage bei den Juwelieren.
Wachstum gibt es auch bei den Shopping Centern und Retail Parks nicht – deren Zahl ist mit 247 und einer vermietbaren Fläche von insgesamt rund 4,27 Millionen m² stabil geblieben. Statt neuer Projekte stehen in erster Linie Modernisierungen und Umbauten bzw. Neupositionierungen auf der Agenda der Betreiber.
55% mehr freie Stores! Die Lehrstandsquote in den 24 größten Innenstadtbereichen beträgt im Schnitt 5,5% (2023: 4,9%), in Kleinstädten liegt sie bei 15,6% und in manchen Fällen sogar bei über 20%.
Gute Lagen sind gefragt
Deutlich positiver als der Handelsverband sieht die Entwicklung der Geschäftsflächen aus Sicht der Immobilienmakler aus. „Der Rückgang der Inflation sowie die damit verbundene Stabilisierung von Indexierungen und Betriebskosten haben die Nachfrage angekurbelt. Nicht nur klassische Bestlagen wie die Wiener Innenstadt und die Mariahilfer Straße profitieren von dieser Entwicklung – auch Standorte wie Alser Straße, Neubaugasse, Währinger Straße, Taborstraße und Praterstraße erfreuen sich wachsender Beliebtheit“, erklärt Einzelhandelsexperte Mario Schwaiger von EHL Gewerbeimmobilien. Neben etablierten Ketten suchen auch neue internationale Marken nach Einstiegsmöglichkeiten auf dem österreichischen Markt.
Wien spielt dabei eine wichtige Rolle, auch weil die Stadt zu den Top-Destinationen zahlungskräftiger Touristen aus aller Welt gehört. Laut WienTourismus wurden von Jänner bis April 2.284.062 Ankünfte verzeichnet, ein Plus gegenüber dem Vorjahr von mehr als sechs Prozent. Die Gästenächtigungen stiegen auf knapp 5,4 Millionen (+9,2%). Auch bundesweit läuft der Tourismus gut und belebt den Handel – mit 154,29 Mio. Nächtigungen wurde 2024 ein neuer Rekord erreicht.
Expansionspolitik: Die drei Stores, die CHRIST im Vorjahr in in Wien, Graz und Salzburg eröffnet hat, liegen allesamt in Einkaufszentren. Eine besondere Präferenz für solche Standorte gibt es aber nicht. Auch klassische Citylagen, etwa in Innsbruck, sind für die weitere Expansion attraktiv. © CHRIST
Keine Krise bei Juwelieren
Zahlen, Daten und Fakten dazu, wie es aktuell bei den Juwelieren läuft, gibt es nicht, aber das Feedback, das man bei der Wirtschaftskammer Wien aus der Branche hat, ist durchaus positiv. Ein signifikanter Rückgang bei Schmuckkäufen sei trotz des hohen Goldpreises und der schwachen Konjunktur nicht zu beobachten. Der emotionale Wert überwiege bei der Mehrheit der Kunden den Preis. „Anstatt ganz auf Gold zu verzichten, treffen die Käufer nun bewusste Entscheidungen – mit klaren Vorstellungen zu Preis, Material und Design“, so Hagop Asvazadurian, Obmann des Juwelen- und Uhrenhandels in der WK Wien. Im Großen und Ganzen bleibe die Nachfrage stabil, vor allem im gehobenen Segment.
Einkaufszentren im Wandel
Die Zahl der Shopping Center und Retail Parks in Österreich wächst zwar derzeit nicht, dafür steht vielerorts eine Modernisierung oder Neupositionierung auf der Agenda, um sich dem geänderten Einkaufs- und Freizeitverhalten der Konsumenten anzupassen. Der Fokus liegt dabei in erster Linie auf dem Ausbau und der Optimierung des Entertainment- und Gastronomieangebots. Der Trend geht – auch international – dahin, dass Shopping Center sich von reinen Konsum-Tempeln zu Orten der Freizeitgestaltung entwickeln.
Laut einer aktuellen Marktagent Umfrage sind Sauberkeit, guter Branchenmix, angenehme Atmosphäre, große Markenvielfalt, leichte Erreichbarkeit und gute Parkmöglichkeiten die wichtigsten Kriterien für die Attraktivität eines Shopping Centers.
Lesen Sie weiter im zweiten Teil: Die große Standortfrage – was sagt CHRIST-CEO Gunnar Binder dazu? Wo funktioniert Premiumware am besten? Und wie wirken sich das Wetter und die Parkplatzlage auf die Konsumenten aus?
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