Inflation, Chinas No-Covid-Politik und der Ukraine-Krieg sorgen für Turbulenzen am Diamantenmarkt, von denen kleine Edelsteine profitieren. © De Beers Group
The bigger the better! Am Diamantenmarkt gilt dieses Motto derzeit nicht. Hohes Käuferinteresse besteht vor allem bei Rohdiamanten mit weniger als 0,75 ct., dagegen schwächelt die Nachfrage nach größeren Steinen.
Das Geschäft mit Luxusgütern läuft trotz wirtschaftlich schwieriger Rahmenbedingungen glänzend. Kein Wunder, denn steigende Lebenshaltungskosten tangieren die Wohlhabenden weit weniger als die Durchschnittsverdiener. Da wäre es nur logisch, wenn größere Diamanten besser als ihre kleineren und günstigeren Geschwister performen würden. Doch die Formel „the bigger the better“ ihre Gültigkeit zum Teil verloren.
„Die Nachfrage nach ausgefallenen Fancys und großen farblosen Steinen war trotz der saisonal schwächeren Periode gut, in den Größenklassen von 0,75 bis 5 ct. und teilweise auch im Bereich bis 10 ct. ist aber ein gewisser Preisdruck zu beobachten“, so Richard Duffy, CEO von Petra Diamonds, zu den Ergebnissen der November-Verkaufsrunde. Verantwortlich dafür ist, dass Händler mit großem China-Schwerpunkt wegen der anhaltend strengen No Covid-Politik und der daraus resultierenden geringen lokalen Nachfrage ihre Einkäufe drastisch reduziert haben. Betroffen davon sind vor allem hochwertige ein- bis zwei-karätige Rohdiamanten. In den kleineren Größenklassen verzeichnete Petra im Vergleich zu den vorherigen Verkaufsrunden dagegen weitgehend stabile Preise.
Dieser Trend hatte sich sich auch bei anderen Minengesellschaften und Händlern bereits im September und Oktober abgezeichnet. Bei den Auktionen von Trans Atlantic Gem Sales in Dubai fanden zuletzt 45% der Rohdiamanten keine Käufer, am stärksten davon betroffen waren die Größenklassen über 0,75 ct. Nachfrage und Preise bei kleineren farblosen Steinen waren stabil, bräunliche Diamanten mit geringerer Qualität konnten sogar etwas teurer als in den Vormonaten verkauft werden.
Dass die Mini-Edelsteine aktuell besser als ihre größeren Artgenossen performen, hat mehrere Gründe.
Luxus-Faktor
Schmuckmarken in der Oberklasse wie Tiffany & Co, , Cartier, Chopard, Bulgari, Bucherer oder Piaget benötigen neben hochkarätigen Edelsteinen auch große Mengen von Punkt- und Melee-Diamanten, zum Beispiel für die vielen Schmuckstücke mit Pavée. Uhrenhersteller sind ebenfalls große Abnehmer der kleinen Steine, etwa für Diamantindizes oder funkelnde Lünetten. Und nachdem schon seit Anfang 2020 die Verkaufszahlen kontinuierlich steigen und die Unternehmen ihre Produktion entsprechend anpassen, werden auch mehr von den kleinen Diamanten benötigt. In Erwartung weiterhin guter Geschäfte haben manche Marken, so Brancheninsider, bereits ihre Lagerbestände für die kommenden Monate aufgestockt.
Ökonomische Faktoren
Darüber hinaus gibt es in wirtschaftlich angespannten Phasen, in denen viele Konsumenten mehr als sonst auf ihr Budget achten, einen generellen Trend zu günstigeren Schmuckstücken mit weniger und/oder kleineren Diamanten, was die Nachfrage nach entsprechend dimensionierten Rohdiamanten ebenfalls erhöht.
Auch indische Schleifbetriebe interessieren sich derzeit verstärkt für solche Edelsteine. Vor allem, weil sie angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage bestrebt sind ihre Kosten zu senken um ihre Belegschaft zu halten. Im ersten Corona-Lockdown hatten sie Mitarbeiter entlassen und etliche von denen waren als der Betrieb wieder aufgenommen werden konne nicht mehr zurückgekommen. Weitere Personalengpässe wollen die indischen Diamantunternehmen nach Möglichkeit vermeiden.
Russland-Lücke
Die insgesamt steigende Nachfrage nach den kleinen Diamanten trifft allerdings auf ein vermindertes Angebot. Vor dem Ukraine-Krieg kamen rund 27% der gesamten jährlichen Diamantfördermenge vom russischen Alrosa-Konzern, bei den kleinen Rohsteinen lag dessen Marktanteil sogar bei 50%. Zwar machen Belgin, die Vereinigten Arabischen Emirate, China, Indien oder Israel weiterhin Geschäfte mit dem russischen Lieferanten, insgesamt kommen aber weniger dieser Edelsteine in den Handel und sie sind auch schwerer als früher abzusetzen. So haben große Kunden wie Tiffany oder Signet Ende März den Ankauf von Diamanten aus Russland gestoppt, unabhängig davon in welchen Ländern die Weiterverarbeitung erfolgt.
Die Lücke im Angebot durch den teilweisen Ausfall der Alrosa-Ware lässt sich klarerweise nicht völlig schließen. Die nach Meinung von Experten beste alternative Quelle ist die Venetia-Mine von De Beers in Südafrika. Allerdings läuft dort gerade die Umstellung von Tage- auf Untertageabbau und die Wieder-Inbetriebnahme ist erst im Lauf des nächsten Jahres geplant.
Es bleibt spannend
Die Volatilität am Diamantenmarkt bleibt in absehbarer Zeit weiterhin hoch. Denn Angebot, Nachfrage und Preise hängen von mehr Faktoren als üblich ab, was Prognosen noch weiter erschwert. Insgesamt herrscht herrscht bei Minenunternehmen, Händlern und Verarbeitern aber die Meinung, dass man die turbulenten Zeiten überstehen werde und erwartet mit Spannung die ersten Verkaufsrunden im neuen Jahr.
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