Strategien für Frequenzware: „Verkaufen, nicht verteilen!“

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Marken wie Coeur de Lion (im Bild) geben durch Marketing-Material viel Inspiration, wie Schmucksets miteinander getragen werden. Laut Thomas Steiniger wissen die Juweliere diesen Einsatz sehr zu schätzen.

Thomas Steininger von DIADORO im Interview. DIADORO Geschäftsführer Thomas Steininger hat Einblick in das Leben und Streben der österreichischen Juweliere wie kaum ein anderer. Im Interview spricht er über den richtigen Umgang mit Frequenzware und Strategien für den Herbst und Winter.



DERJUWELIER.at: Herr Steininger, wie ist die DIADORO Gruppe im Moment aufgestellt?

Thomas Steininger: Aktuell ist das Verhältnis recht ausgewogen. Wir haben circa 30 Standorte in Deutschland und 30 in Österreich. Es sind alles selbständige Juweliere, die frei sind in ihren Einkaufsentscheidungen.

Dadurch haben wir eine Bandbreite an verschiedenen Juweliere, wie zum Beispiel Heimo Wagner in Seiersberg, der sich die letzten Jahre sehr ins obere Preissegment orientiert hat oder Juweliere wie Frau Kemper, unser umsatzstärkster Standort in Deutschland, die aber neben Trauringen nur sehr wenig Goldschmuck verkauft.

DJ: Zuletzt hatten wir im Jänner über das Geschäftsjahr 2021 gesprochen. Was hat sich seitdem getan? Wie haben Sie bisher das Geschäftsjahr 2022 erlebt?

Steininger: Das Geschäftsjahr ist aus unserer Sicht bisher recht gut verlaufen. Wir sind zufrieden mit den Umsätzen und Deckungsbeiträgen. Was zu wünschen übrig lässt, ist die Frequenz. Ich denke, das zieht sich durch die ganze Branche. Es sind vor allem die Shopping- Center, in denen man den Frequenzrückgang noch stärker spürt als in Straßenlagen.

Im Großen und Ganzen kann es natürlich immer besser laufen und wir wären schlechte Unternehmer, wenn wir uns nicht immer nach vorne orientieren würden. Zuletzt habe ich die Umsätze 1-7 heuer zu 1-7 2019 verglichen. Da liegen die Diadoro-Juweliere in Österreich beim Umsatz im Durchschnitt fast 20% vorne. So gesehen denke ich, die Leute sind zufrieden, aber es geht noch mehr.

Alle blicken gespannt auf den Herbst und ein großer Teil ist vorsichtig optimistisch.

Was bereits seit einiger Zeit angefangen hat und seitdem immer schlimmer wird, ist das Thema Personal. Wir merken das, weil wir unseren Partnern Schulungen anbieten, aber die Juweliere haben niemanden, den sie hinschicken können bzw. weil die Person im Geschäft zu sehr abgeht. Ich denke, den Personalmangel gibt es nicht nur in unserer Branche.

DJ: Kann man dieses Problem nicht auch lösen, indem man den Fokus von Frequenzware lenkt zu hochwertigem Schmuck?

Steininger: Richtig. Die Frequenz ist ja in den meisten Fällen ohnehin rückläufig. Jeder Kunde, der ins Geschäft kommt, ist eine Chance. Und die muss ich bestmöglich nutzen. Erstens, indem der Verkauf an sich jetzt schon mal möglichst perfekt ist – hochwertig im Sinne von Ware, wo etwas überbleibt und der absolute Deckungsbeitrag am höchsten ist. Außerdem ist es, wenn ich mir den klassischen Verkaufsprozess ansehe, wichtig, dass man darauf schaut, in der Abschlussphase mit dem Zusatzverkauf und der Kundenbindung möglichst stark abzuschließen.

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Das Lebensbaum-Motiv (hier von Julie Julsen) ist sehr beliebt. Kunden entscheiden allerdings seltener nach Marke, so hat der Juwelier die Chance, verschiedene Hersteller zu präsentieren, die das Motiv anbieten.
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DJ: Wie schlagen sich Ihre Juweliere bei diesem Thema?

Steininger: Wir erheben bei unseren Kennzahlen die Stückzahl pro Bon und konnten in den ersten sieben Monaten dieses Jahres feststellen, dass die Verkäufe im Durschnitt mit 1,7 Stück pro Bon leicht gestiegen sind. Das heißt, die Leute verkaufen mehr Stück pro Bon, machen also Zusatzverkäufe.

DJ: Arbeiten Ihre Juweliere mit den Trends wie „Ringstacking“, „Kettenlayering“ und Co. um diese Zusatzverkäufe zu erreichen?

Steininger: Diese Trends wie Kettenlayering merkt man tatsächlich vor allem im Modebereich. Wenn ich eine Kette um 3.000 Euro kaufe, werde ich mir nicht einfach eine zweite dazu kaufen. Das ist etwas anderes bei 100 oder 150 Euro.

Marken wie THOMAS SABO oder Coeur de Lion praktizieren das stark in ihren Sujets und in ihren Deko-Vorlagen. Das kommt also sicher an. Wir haben sehr viele geschickte Verkäufer bei uns in der Gruppe, die das so praktizieren und damit erfolgreich sind.

Es ist etwas, das gut funktioniert und auf das Wert gelegt wird.

DJ: Sind diese verkaufsfördernden Trends in Ihren Augen ein Muss?

Steininger: Ich denke, ein verkaufsorientiertes Geschäft, bei dem der Schwerpunkt nicht auf der Werkstatt liegt, funktioniert heutzutage auch nicht mehr ohne Zusatzverkauf und eine gewisse Kundenbindung. Zweiteres ist ja auch einer der wesentlichen Marketingschwerpunkte, bei denen wir unsere Juweliere unterstützen und ihnen viel abnehmen. Viele wären nicht so erfolgreich wie sie es sind, ohne diese Instrumente.

Vor etwa fünf bis zehn Jahren war es einfach: Man hat mit einem THOMAS SABO Armband auch gleich drei Anhänger dazu verkauft. Bei Pandora oder Nomination war es dasselbe. Die Sammelhypes haben es einfach gemacht und jetzt geht es wieder ums Verkaufen und nicht nur ums Verteilen.

Bei diesen drei Marken ist der Kunde gekommen und hat schon genau gewusst, was er will. Jetzt kommt der Kunde und sucht nach einem schönen Armband oder nach einem Geschenk für seine Freundin oder Frau.

Das ist das Gute für den Juwelier, denn es zeigt, dass wieder die Beratungskompetenz und die Verkaufskompetenz gefragt sind und kein reines Verteilen.

DJ: Hat der Juwelier hier Ihrer Meinung nach eine Vorbildfunktion?

Steininger: Ja. Ich bin der Meinung, das was wir unseren Kunden anbieten, sollten wir auch selber tragen. In meiner Zeit als Verkäufer wurde ich oft nach meiner Uhr gefragt. Da wäre es doch eher ungeschickt, wenn ich eine Rolex trage, die wir im Geschäft gar nicht verkaufen. Damit schicke ich den Kunden, der diese Uhr will, zur Konkurrenz.

Wenn wir über Vorbildfunktion und Identifikation Kunde/VerkäuferIn reden, sollte man darauf achten, gewisse Hemmschwellen im Kopf abzubauen. Vor allem bei jüngeren, unerfahreneren Verkäuferinnen kommt es manchmal vor, dass die sich denken, ein Schmuckstück um 500 Euro würden sie sich nie leisten. Und deswegen zeigen sie es gar nicht her.

Es geht darum, den Mitarbeitern klarzumachen, dass der Kunde selber mündig genug ist. Er soll entscheiden, ob er sich das leisten kann oder nicht. Und wir sind  im Geschäft angehalten, den hochwertigen Verkauf in den Vordergrund zu stellen.


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Nicht nur Ringe und Ohrringe, sondern gleich mehrere Ketten übereinander, wie hier bei Sif Jakobs, treiben den Bon in die Höhe, da die Kunden bei der Beratung gezielt vom Juwelier auf einen Look gelenkt werden können.

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DJ: Der Kunde kann nicht Nein zu etwas sagen, das er nicht gesehen hat…

Steininger: Ganz genau.

DJ: Gibt es Marken, die gerade besonders gut laufen?

Steininger: Beim Schmuck ist es tatsächlich so, dass eine Marke bis auf vielleicht THOMAS SABO und PANDORA wenig existent ist.

Das ist die große Chance für den Juwelier. Denn wenn der Kunde kommt und sagt, ich hätte gerne ein Armband mit dem Lebensbaum darauf, dann kann der Juwelier entscheiden. Welche Marke draufsteht, ist für den Kunden zweitranging. Ich kann mich als Juwelier selbst für die Marke oder den Hersteller entscheiden, bei der die Qualität gut ist und die Marge passt.

DJ: Die Initiative, Hochwertiges zu verkaufen, liegt also wieder beim Juwelier.

Steininger: Genau. Ich denke, die Zeit ist sehr gute für gute Verkäufer. Verkäufer, die den Verkauf auch selbst steuern können und die wissen, wie sie mit dem Kunden umgehen.

DJ: Welche Chance hat der Trendschmuck noch in Zeiten von Inflation und mit gestiegener Nachfrage nach Hochwertigem?

Steininger: Meine Einschätzung ist, dass aktuell der Trendschmuck auf jeden Fall auch noch funktioniert, weil die Leute weniger langfristig denken. Ich denke, dass viele Kunden sagen, jetzt leiste ich mir noch was, solange ich noch kann. Sich etwas leisten ist immer relativ. Für die einen ist es die Kette um 3.000 Euro, für die anderen der silberne Ring um 100 Euro.

Ich bin der Meinung, dass man den günstigen Bereich, ob nun Silber oder Gold, nicht ganz vernachlässigen sollte. Denn die meisten unserer Juweliere sind trotzdem Vollsortimenter. Bei einem Vollsortimenter fängt man klein an und wir bemühen uns, der Juwelier für alle Generationen zu sein. Wenn meine Oma mir sagt, ich soll doch zum Juwelier gehen und meiner Freundin etwas Schönes kaufen, dann kauft der 18-Jährige, der dort zum ersten Mal hingeht, noch nicht um 500, sondern vielleicht um 98 Euro einen Ring.

Man merkt natürlich, dass ein Teil der Kundschaft ins Internet abwandert. Trotzdem sollte man sich diese Chance nicht verbauen, denn der Bedarf ist trotzdem da.

DJ: Sie haben den Online-Handel erwähnt. Wie groß ist hier die Konkurrenz im Fall von Trendschmuck?

Steininger: Beim Trendschmuck ist die Konkurrenz sicher größer als beim Echtschmuck. Denn sobald ich mehr Geld ausgeben will, möchte ich mir das vorher einmal anschauen. Oder man hat ein höheres Sicherheitsbedürfnis, das stationär anders bedient wird, als online.

Der gute Juwelier punktet aber nicht ausschließlich durch Produkte, sondern vor allem durch Service und Kompetenz. Hier hinkt ein Großteil der Webshops noch hinterher.

DJ: Wie lautet Ihre Prognose für diesen Herbst?

Steininger: Meine Aussage an die Fachhändler ist grundsätzlich die, dass wir es nicht wissen. Am Ende des Tages zählt das Kundenverhalten, egal ob irgendwelche Wirtschaftszahlen nun gut sind oder schlecht. Für den Kunden zählt, welches Budget er selbst hat. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder gesehen, dass man nicht sagen kann, wie die Kunden sich verhalten werden.

Ich habe noch die Finanzkrise von 2008 im Kopf, wo ich selbst im Verkauf war und alle Angst hatten. Doch dann gab es einen regelrechten Hype in der Uhren- und Schmuckbranche, mit dem niemand gerechnet hatte und manche Juweliere haben richtig viel Geld verdient mit Pandora und Co.

Ich würde mich auf ein gutes Weihnachtsgeschäft einstellen. Sollte es schlecht werden, haben wir zumindest die Chance auf staatliche Unterstützung. Deswegen sollte man auch gut einkaufen. Wenn die Stimmung gut ist, die Kunden kommen und man hat keine Ware, dann steht man schlecht da. Für vernachlässigten Einkauf gibt es keine staatliche Unterstützung.

Mein Vorschlag ist deswegen, vorsichtig optimistisch zu planen.

DJ: Welche Tipps können Sie noch geben?

Steininger: Man kann mit gutem Gewissen ordern, wenn man bedenkt, dass der Trend beim Goldschmuck auch zu den Klassikern geht, die ja auch im Frühling noch aktuell sein werden. Wie erfolgreich man ist, hängt auch vom Sortiment ab.

Auch die Zusatzverkäufe im Trendschmuckbereich sind gut machbar, wenn man sich wieder aufs Verkaufen besinnt, weil bloßes Verteilen wird nicht reichen.

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