
Matthias Breschan (links) und Patrick Aoun (rechts) beim Dubai World Cup 2024 – damals wussten beide noch nichts von dem bevorstehenden Rücktritt Breschans. © Longines
Interne Spannungen und verpasste Chancen in China: Die Swatch-Tochter Longines hat einen neuen CEO. Doch hinter dem Wechsel verbergen sich tiefere strukturelle Herausforderungen, die über den simplen Rücktritt hinausgehen.
Die Ernennung von Patrick Aoun zum neuen Präsidenten und CEO von Longines markiert nicht nur das Ende der fünfjährigen Amtszeit von Matthias Breschan (er kommt aus Kärnten) – sie ist auch Ausdruck interner Spannungen und strategischer Fehlentwicklungen, die in den vergangenen Monaten innerhalb der Swatch Group zunehmend sichtbar wurden.
Interne Fluktuation und Führungskrise
Brancheninsider berichten, dass unter Breschans Führung rund ein Viertel des Personals am Hauptsitz in Saint-Imier das Unternehmen verlassen hat. Der Führungsstil des ehemaligen CEOs soll zu erheblicher Unzufriedenheit geführt haben. Auch die frühzeitige Umstrukturierung im Controlling – bereits 2024 wurde ein VP von Omega installiert – wurde von Beobachtern als Misstrauensvotum gewertet. Der Rückhalt im Konzern schwand zusehends, der Rücktritt war nur eine Frage der Zeit.

Rückläufige Entwicklung in China
Hinzu kommt die geschwächte Marktstellung in China, einem der wichtigsten Absatzmärkte für Longines. Unter Breschan konnte das Unternehmen den Rückgang der Verkäufe nicht stoppen – im Gegenteil: Der Verlust bedeutender Geschäftskontakte, die zuvor unter dem langjährigen CEO Walter von Känel aufgebaut wurden, wog schwer. Insbesondere das Netzwerk zu chinesischen Key Accounts, das über Jahre gepflegt wurde, brach weg – und Breschan gelang es nicht, diese Beziehungen neu aufzubauen oder zu ersetzen. Hinzu kam, dass der Fokus unter seiner Führung nicht prioritär auf China lag – ein strategischer Fehler angesichts der Relevanz des Marktes.
Während Omega – ebenfalls zur Swatch Group gehörend – dort Marktanteile halten konnte, verlor Longines sichtbar an Boden. Analysten des Hauses Vontobel beziffern den Umsatzrückgang von 1,6 Milliarden CHF im Jahr 2019 auf 1,2 Milliarden CHF im Jahr 2024 – ein dramatischer Absturz von der viertgrößten zur siebtgrößten Schweizer Uhrenmarke nach Umsatz.

Modellpolitik: schwer vermittelbare Neuheiten
Zwar konnte Longines in Summe solide Verkaufszahlen vorweisen – doch die Realität im Handel war differenzierter. So berichten Händler, dass sich einige der neu eingeführten Modelle mit Preisen jenseits der 5.000-Euro-Marke nur schwer verkaufen ließen. Diese Produktlinien basierten teils auf Konzepten, die bereits vor Jahren verworfen worden waren – und wurden nun unter Breschan reaktiviert, obwohl ihre Markttauglichkeit intern bereits zuvor bezweifelt wurde. Ein Déjà-vu, das Branchenkenner auch aus seiner Zeit als CEO bei Rado kennen.
Ein CEO mit Swatch-DNA
Mit Patrick Aoun übernimmt nun ein langjähriger Swatch-Manager das Steuer, der zuletzt bei Longines als Regionalleiter für den Nahen Osten und Asien tätig war. Seine internationale Erfahrung, insbesondere im asiatischen Raum, könnte Longines helfen, den dringend benötigten Neustart zu schaffen – vor allem in China, wo die Marke dringend Vertrauen und Marktanteile zurückgewinnen muss.
Die Herausforderungen sind allerdings nicht nur extern. Auch im Inneren muss Longines sich neu justieren: Die Erosion der Unternehmenskultur in Saint-Imier und das verlorene Vertrauen in die Führung müssen aufgearbeitet werden.

Ein Lehrstück für den Fachhandel?
In Zeiten, in denen Konzerne wie Richemont mit TimeVallée neue Retail-Strukturen schaffen, Swatch Group in China fast nur noch mit Omega funktioniert, und Bucherer – inzwischen in Rolex-Hand – zum dominanten Player wird, muss sich Longines neu positionieren. Der Wechsel an der Spitze ist daher nicht nur notwendig – er ist die letzte Chance für einen echten Neustart.

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